Die „Bürgerstiftung Wilstedt“ soll, so heißt es, eine selbständige und unabhängige Institution sein, erstritten von den Wilstedter Bürgern, deren Widerstand die Windparkbetreiber zu Konzessionen an die Allgemeinheit verpflichtet hat. Die Wirklichkeit sieht deutlich profaner aus, als der schöne Propagandaschein weismachen möchte und erst seit wenigen Tagen gibt es eine eigene Website, der man noch ansieht, dass sie Hals über Kopf erstellt wurde. Schon auf der Ebene der Vorsitzenden sind die personellen Verflechtungen mit der Gemeindepolitik unverkennbar.

Ganz zufällig kandidierte die Vorstandsvorsitzende für den Gemeinderat. Noch zufälliger ist der erste stellv. Bürgermeister auch Vorsitzender des Stiftungsrats, kann also gleichzeitig sowohl als Bürgermeister als auch auch als Stiftungsrat die Verteilung von Geldern kontrollieren. Laut Satzung soll der Stiftungsrat die Arbeit des Vorstandes kontrollieren. Bestimmt rein zufällig sitzen sämtliche Mitglieder des Vorstandes auch im Stiftungsrat und kontrollieren sich also selbst. Bei so professioneller Aufsicht verwundert es nicht, dass, schenkt man Medienberichten Glauben, jahrelanger Missbrauch der verwalteten Gelder niemandem aufgefallen ist.

Die „Bürgerstiftung Wilstedt“ soll, so heißt es offiziell, die Mittelvergabe transparent machen. Sicher nur zufällig ist nirgendwo ein Dokument zu finden, das für die 12 Jahre seit Bestehen der Stiftung Rechenschaft ablegt darüber, wer und was mit wieviel und warum gefördert worden ist. Laut Satzung soll die Stiftung Zustiftungen und Spenden einwerben. Transparenz?

Das Ganze sieht verdächtig nach einem mittlerweile in Deutschland bekanntem Muster aus. Da trifft sich die immergleiche kleine Clique in eigens abgedunkelten Hinterzimmern, macht die öffentlichen Angelegenheiten unter sich aus und schiebt sich gegenseitig die schmackhaften Häppchen zu. Verirrt sich zufällig ein Bürger in die Nähe solcher Kreise, gibt man ihm freundlich aber bestimmt zu verstehen, er möge sich um sein Haus, Kinder und Urlaub kümmern und hier nicht weiter stören. Es seien ja schließlich Professionelle am Werk, die wüßten, was sie tun. Was die politisch unerfahrenen Deutschen beschönigend Klüngel nennen, hat in vielen Fällen längst einen fließenden Übergang zu Missbrauch, Korruption und Schlimmerem.

In der Präambel der Stiftungssatzung steht: „Die Bürgerstiftung Wilstedt will dem Gemeinwohl in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen dienen. Sie versteht sich als eine Bürgerstiftung und ist eine Stiftung von Bürgern für Bürger.“ Da erscheint es befremdlich, wie und vor allem mit welcher Begründung der Förderantrag einer Energieinitative von Wilstedter Bürgern abgelehnt wird.

Audiatur et altera pars heisst ein uralter römischer Grundsatz – höre auch immer die andere Seite. Gegen Ende letzten Jahres hat die Energieinitiative einen Antrag auf Föderung bei der Stiftung eingereicht. Dabei ging es nicht in erster Linie um das Geld (einen dreistelligen Betrag), sondern um die Frage, wie sich eine Bürgerstiftung, die Energiegelder der Allgemeinheit zuführen soll, gegenüber einer Energieinitiative von Bürgern positioniert. Man hätte ins Gespräch kommen und die Möglichkeiten einer sinnvollen Kooperation ausloten können. Aber daran war die Stiftung nicht interessiert. Der Föderantrag wurde abgelehnt. Nun hätte es aus der Perspektive einer sinnvollen Verteilung von Geldern zahlreiche gute Ablehnungsgründe gegeben, gegen die nichts einzuwenden wäre. Der Grund, den der Vorstand allerdings anführt, ist ausgesprochen bemerkenswert: Der Antrag einer strikt gemeinwohlorientierten Energieinitiative, die die verfehlte Energiepolitik der vergangenen Jahre korrigieren will, wird abgelehnt, weil eine solche Initiative ja politisch sei und deshalb von einer auf das Gemeinwohl verpflichteten Stiftung nicht gefördert werden könne.

Bezieht man noch den geschichtlichen Kontext mit ein, wird die Sache noch merkwürdiger. Der erste Wilstedter Windpark wurde, so wird erzählt, gegen den Widerstand, manche erzählen, der Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt. Die Stiftung soll auch den Zweck haben, den Frieden wieder herzustellen und „für Akzeptanz in der Bevölkerung“ zu sorgen. Eine Bürgerstiftung, die bislang keine Anstalten unternommen hat, sich gegenüber den Bürgern zu verantworten und regelmäßig Rechenschaft abzulegen und den Antrag einer Bürgerinitiative mit der Begründung ablehnt, diese sei politisch, hat offenbar ein Problem mit Bürgern. Bürgerstiftung?

Von den 20.000 €, die jährlich von den Windparkbetreibern eingezahlt werden, sollten 15.000 angelegt und 5.000 an Förderung vergeben werden. Darüber hinaus sollten Zustiftungen und Spenden eingeworben werden. Nur aus den Windparkgeldern müßten also rein rechnerisch mindestens 180.000 € vorhanden sein, die für Gemeinwohlprojekte eingesetzt werden könnten, einerlei, ob es um ein Gemeindehaus, ein eigenes Energienetz, das den Bürgern gehört, oder etwas anders geht. Als Bürgerstiftung gehört die Stiftung und das Geld den Wilstedtern. Sie müssen es allerdings auch beanspruchen.