Am letzten Donnerstag, den 19.1.2023 hatte die EnergieInitative Wilstedt (EiW) im Gemeindehaus Wilstedt eine Veranstaltung zum Thema Genossenschaft organisiert. Als Referent war der Vorstand der BürgerEnergieGenossenschaft Sottrum (BEGS) gekommen. G. Gaidano, der den dortigen Vorstandsposten seit 11 Jahren ausfüllt, konnte charmant und kompetent aus seinen umfangreichen Erfahrungen berichten. Der Raum war gut besetzt, neben etlichen Wilstedtern war auch der Samtgemeindebürgermeister Oliver Moje, der Bürgermeister von Vorwerk Jens Frömmrich und als Ex-Berliner Conrad Boelicke (arteFakt) gekommen, der gerade erst seine arteFakt GmbH in eine Genossenschaft umgewandelt hat. Das Thema hat Konjunktur. Als Nachlese zur Diskussion legen wir im Folgenden einige der Aspekte von Genossenschaften dar.
Einkaufsgenossenschaften – für Preisbewusste
Kein Lebensmitteleinzelhändler kann heute ohne Einkaufsgenossenschaft überleben. Kauft jeder für sich, zahlt er automatisch mehr als 100, die zusammen einkaufen. In einer Phase, in der viele überlegen, sich Material für energetische Sanierungen einzukaufen, ein zumindest kurzfristig sehr überzeugendes Argument.
Dorfladen und Dorfgasthaus als Genossenschaft
Wenn die Besitzer des Edekaladens aufgeben und keinen Nachfolger finden, sind lokale Genossenschaften im Verbund eine Lösung. Als Teilhaber des Dorfladens gestalten die Genossen auch das Sortiment mit und erhalten eine „Dividende“, die mit 5% doppelt so hoch ausfällt wie das, was aktuell die Windparkbetreiber Süd anbieten. In einer 400 Seelen Gemeinde im badischen Todtnau-Geschwend gründeten die Bürger eine Genossenschaft, um das historische Dorfgasthaus instand zu setzen und als Gast- und Begegnungsstätte wieder zu betreiben.
Beispiel: myEnso (aktuell in Breddorf)
Beispiel: Dorfgasthaus dasrößle
Erzeuger-/Verbrauchergenossenschaft
Die Globalisierung hat zu einer großen Intransparenz zwischen Erzeugern und Verbrauchern geführt. Wenn alles überall jederzeit verfügbar ist, weiß niemand mehr, was wo wie erzeugt wurde – Stichwort Entwurzelung. Darauf reagieren Hofläden und regionale Wochenmärkte. Genossenschaften, die Erzeuger und Verbraucher auch über weite Entfernungen wieder in Kontakt bringen, stellen die verlorengegangene Transparenz, den Bezug, die Bindung und das nötige Vertrauen wieder her.
Beispiel: arteFakt eG in Wilstedt
Kontakt: Conrad Boelicke
Energiegenossenschaften – Energiewende der Bürger
Deutschland hat kein Energieerzeugungsproblem, es gibt genug, Deutschland hat ein Verteilproblem. Es gelingt bislang nicht, eine intelligente Balance zwischen Energieerzeugern und Verbrauchern zu realisieren, solange nur ein paar große Player den Markt dominieren.
Die Alternative: Vor Ort bilden sich kleine Energiegenossenschaften, die sich zu einer großen Genossenschaft zusammenschließen. Die Bürgerwerke eG sind groß genug sind, um als Stromanbieter auf dem Markt auftreten zu können und den großen Konzernen Konkurrenz zu machen. Energiegenossenschaften arbeiten nicht profit-, sondern gemeinwohlorientiert und gestalten Preis- und Vertragsgestaltung ihrer selbst produzierten Energie mit. Solange allerdings die regenerativen Energien (Dunkelflaute) nicht alle Bedarfssituationen abdecken, müssen auch Bürgerwerke Strom auf dem Markt einkaufen. Je mehr sie selbst erzeugen, desto weniger müssen sie zukaufen, was sich langfristig dämpfend auf die Kosten auswirkt.
Beispiel 1: BürgerEnergieGenossenschaft Sottrum (BEGS),
Kontakt: G. Gaidano
Beipiel 1a: Bürgerwerke eG
Beispiel 2: Benergie (Bremen, verkaufen Strom, produzieren ihn aber nicht selbst)
Kontakt: Florian Schulz
Wohnungsbaugenossenschaften
Auch Genossenschaften wie alle Gemeinschaftsprojekte sind nicht davor gefeit, innerlich zu verfaulen. Das ist nicht neu und auch seit langem bekannt. Wenn Aufsicht und Verantwortung der anderen nachlassen oder gar nicht erst wahrgenommen werden, entstehen innere Zirkel, die die Dinge unter sich ausmachen. Ein aktuelles Beispiel ist Eventus.
Nahwärmenetze in Genossenschaftshand
Nahwärmenetze erfordern hohe Anfangsinvestitionen. Kleine Genossenschaften sind da finanziell häufig überfordert. Die Lösung: Eine Genossenschaft, der die Kommune beitritt. Als Kommune baut und finanziert sie das Netz, handelt mit der Genossenschaft einen langfristigen Überlassungsvertrag aus, lässt die Genossenschaft das Netz betreiben und überträgt nach 10, 12 Jahren das Eigentum am Netz an die Genossenschaft.
Beispiel: BioEnergiedorf Schloeben (Thüringen)
Kontakt: BM Hans-Peter Perschke
Genossenschaften als Unternehmer
Genossenschaften können sich an Windparks beteiligen, sie können selbst lokale Projekte entwickeln, finanzieren und realisieren. Die Sottrumer BEGS betreibt z.B. erfolgreich car-sharing Die Bürger agieren in diesem Model zugleich als Unternehmer und entscheiden, was mit den Überschüssen geschieht. Je nach Satzung wird ausgeschüttet, angelegt, oder weiter investiert. Genossenschaften können so als Dach einzelner Projekt- und Betreibergesellschaften fungieren und sorgen damit dafür, dass Errichtung, Betrieb und Gewinnabschöpfung vor Ort und in der Hand der Bürger bleiben.
Beispiel: Energiegenossenschaft Vogelsberg
Kontakt: Günter Mest
Wilstedt/Samtgemeinde als Genossenschaft?
Jeder Staat, unabhängig von Parteien oder handelnden Personen hat drei zentrale Kernaufgaben: Aufrechterhaltung und Erweiterung der Infrastruktur, Sicherstellung der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs (dazu gehören auch so existentielle Güter wie Energie oder Arzneimittel) und als Drittes die innere und äußere Sicherheit. Die Defizite in allen drei Bereichen sind offensichtlich, ein Problem, das sich zuspitzen wird. Der Staat hat zu viele Aufgaben an sich gezogen und kann nicht mehr alle gleichzeitig zuverlässig erfüllen. Die bequeme Situation, vieles an den Staat delegieren zu können, ist vorbei. Bürger werden nicht umhin kommen, einige Aufgaben wieder selbst zu übernehmen. Viele Bioenergiedörfer haben sich für das Genossenschaftsmodell entschieden. Die Genossenschaft kann Dinge, die eine Kommune nicht kann und umgekehrt. Kommunen können Dinge, die Genossenschaften nicht können. Arbeiten beide partnerschaftlich und gemeinwohlorientiert zusammen, bewegen und gestalten sie mehr als jeder Einzelne könnte.
Genossenschaften betreiben Sportanlagen wie Hallenbäder oder Eissporthallen, kulturelle und soziale Einrichtungen wie Kinos oder Ärztehäuser bis hin zu Gasthäusern oder Dorfläden, in denen die Bevölkerung vor Ort zusammenkommt.
Genossenschaften & Kommunen, DStGB Dokumentation
Besetzung und Diskussionsverlauf in Wilstedt zeigen. Das Thema ist brandaktuell und erfordert Verbreitung und Vertiefung.
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